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Steht Deutschland wieder auf der falschen Seite der Geschichte?
Ein offener Brief von Rolf Verleger und ein Kommentar von Gideon Levy
Zusammenfassung: Der Vorsitzende unseres BIP, Prof. Dr. Rolf Verleger, kritisiert in einem offenen Brief an die deutsche Regierung ihre Entscheidung, sich der Untersuchung israelischer Kriegsverbrechen durch den Internationalen Strafgerichtshof zu widersetzen. Der israelische Journalist Gideon Levy sieht eine beunruhigende historische Parallele darin, dass sich die deutsche Regierung erneut auf die Seite der Täter stellt.
Diese Woche stellen wir Ihnen zwei Texte vor. Der erste ist ein offener Brief des Vorsitzenden unseres BIP Prof. Dr. Rolf Verleger. Der zweite ist ein Artikel von Gideon Levy in Haaretz vom 16. Februar.
Juristischer Hintergrund
Hintergrund der beiden Texte ist die Entscheidung der deutschen Regierung, das Recht der Palästinenser auf Schutz durch den Internationalen Strafgerichtshof nicht anzuerkennen.
Im Dezember 2014 unterzeichnete der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) und sprach diesem somit Gerichtsbarkeit über das besetzte Westjordanland und den Gazastreifen zu. Das Recht dazu hatte Abbas seit 2012 durch die Anerkennung Palästinas als Beobachterstaat bei der UN durch die UN-Generalversammlung (138 Länder dafür, 9 dagegen, 41 Enthaltungen, darunter Deutschland). Voruntersuchungen durch die IStGH-Chefanklägerin Fatou Bensouda dauerten fünf Jahre. Am 20. Dezember 2019 stellte sie den offiziellen Antrag auf Einleitung eines Gerichtsverfahrens gegen Israel und gegen die Hamas-Partei wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, insbesondere während des israelischen Einmarsches in den Gaza-Streifen im Juli/August 2014, außerdem durch israelische Besiedlung des besetzten Westjordanlands und durch die Tötung von über 200 unbewaffneten Demonstranten aus Gaza durch die israelische Armee seit März 2018.
Israel verweigert den Palästinensern das Recht auf Souveränität und bestreitet daher die Zuständigkeit des IStGH. Israel selbst hat die Römischen Statuten nie unterzeichnet. Netanjahu beschuldigte den IStGH des Antisemitismus. Die Hamas-Partei begrüßte die Entscheidung und versprach, bei den Ermittlungen zu kooperieren.
Nachdem es Netanjahu nicht gelungen war, die Gäste der Zeremonie zum Gedenken an 75 Jahre Befreiung von Auschwitz in Yad Vashem davon zu überzeugen, eine gemeinsame Erklärung gegen den IStGH abzugeben, beschlossen vier Staaten, die israelische Position zu unterstützen, dass Palästinenser nicht das Recht hätten, dem Römischen Statut beizutreten, und dass das Gericht nicht zuständig sei: Deutschland, Österreich, Tschechien und Ungarn. Sie traten an das Gericht mit der Bitte heran, dem Verfahren als „Freunde des Gerichts“ beizuwohnen – machten dabei aber deutlich, dass das Verfahren wegen Unzuständigkeit des IStGH eingestellt werden sollte.
Foto: Netanjahu und Merkel bei einer Pressekonferenz 18.1.10, Quelle: Israelisches Auswärtiges Amt
Brief von Rolf Verleger als Vorsitzender des Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern (BIP) vom 15.2.2020
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel, sehr geehrter Herr Außenminister Maas,
die Zeitung Haaretz vom 14.2.2020 meldet, dass Deutschland die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs (ICC) für die von Israel besetzten palästinensischen Gebiete abstreitet.
Sollte dies zutreffen, erklärt unsere Bundesregierung damit, dass mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen in diesen Gebieten vom ICC nicht untersucht werden dürfen, dass also der ICC – den alle Bundesregierungen in der Tradition der Nürnberger Prozesse nachhaltig gefördert haben – seiner ureigensten Aufgabe der Untersuchung völkerrechtlicher Verbrechen nicht nachgehen kann.
Das steht in tiefem Widerspruch zu allen bisherigen Bekenntnissen zur strafrechtlichen Verantwortung und zum Völkerrecht. Damit geben Sie Israel einen Freibrief, seine Politik der Besatzung und der Menschenrechtsverletzungen weiter zu betreiben. Was das konkret für die Menschen dort bedeutet, hat die UN-Organisation OCHAOPT in ihrem letzten Monatsbulletin wieder einmal dargestellt, für die letzten zehn Jahre.
Sie erreichen damit dreierlei:
1) Sie fördern palästinensische Militanz. Denn wenn Abbas‘ Versuch, mit diplomatisch-juristischen Mitteln palästinensische Belange durchzusetzen, an der „westlichen Wertegemeinschaft“ scheitert, dann bekommen selbstverständlich Kräfte Aufwind, die den bewaffneten Kampf predigen.
2) Sie fördern die Unterstützung für BDS. Über den Sinn und die Effektivität dieser Bewegung gibt es verschiedene Meinungen. Aber es dürfte klar sein, dass Ihr Bestreiten der ICC-Zuständigkeit dieser Bewegung Aufschwung gibt. Denn wenn unsere Regierung nicht imstande – und offenbar vor allem nicht willens – ist, den Menschenrechten zu ihrem Recht zu verhelfen, welche Alternative jenseits vom Versuch der Einflussnahme auf Regierungshandeln gibt es denn noch, um den Unmut über diese Ungerechtigkeiten auszudrücken und um Druck zur Veränderung aufzubauen?
3) Sie fördern Antisemitismus. Denn Ihre Entscheidung wird vielerorts so wahrgenommen werden, dass „die Juden“ (wenn man denn den Staat Israel auf diese 80% seiner Bevölkerung reduzieren will) „mal wieder eine Extrawurst bekommen“.
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Außenminister Maas, ich schreibe Ihnen dies nicht nur als Sohn von jüdischen KZ-Überlebenden aus einer schwer traumatisierten Familie, sondern auch aus meiner sich daraus herleitenden Position als Vorsitzender des Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern (BIP):
Gedenkreden, die allenthalben zum 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz zu hören waren, sind schön und gut; aber wenn daraus folgen würde, dass nicht mehr die Herrschaft des Rechts gelten soll, wenn es um Menschenrechtsverletzungen von Juden an Palästinensern geht, dann läuft etwas falsch bei Deutschlands Umgang mit den Verbrechen der Nazi-Herrschaft.
Konkret stellt sich hier die Frage: Bedeutet die Absage an Ermittlungen des ICC, dass die Bundesregierung die Resolution 2334 des UN-Sicherheitsrates vom 23.12.2016, das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 9.7.2004 sowie den Beschluss der UN-Vollversammlung vom 29.11.2012 für völkerrechtlich irrelevant hält? Für eine Klarstellung sind wir Ihnen dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Rolf Verleger
www.bip-jetzt.de
Foto: Die Chefanklägerin beim Internationalen Strafgerichtshof Fatou Bensouda spricht auf dem Osloer Forum 2014, Quelle: Wikipedia
Haaretz 16. Februar 2020
Ein anderes Deutschland? Nicht mit seiner Israel-Politik!
Gideon Levy
Deutschland hat am Freitag bewiesen, dass es in seine Vergangenheit hinabschlittert. Seine Entscheidung, gemeinsam mit Leuchtfeuern der Moral wie den Regierungen Ungarns, Österreichs und der Tschechischen Republik am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ein Freund der israelischen Besatzung zu sein, sollte alle von der Vergangenheit heimgesuchten Deutsche beunruhigen.
Gegen Ende ihrer beeindruckenden Karriere ist Angela Merkel angesichts der Bedrohung durch den Antisemitismus in ihrem Land bereit, Israel reflexartig alles zu verzeihen. Damit bricht sie mit ihrer Rolle als Kanzlerin des anderen Deutschlands und als eine der letzten Verteidigerinnen der Menschenrechte in der Welt. Uns bleiben Donald Trump, Wladimir Putin und Xi Jinping.
Ein Deutschland, das eine Untersuchung von Kriegsverbrechen nicht erlaubt, ganz gleich von welchem Land, ist kein anderes Deutschland, sondern ein Deutschland, das Kriegsverbrechen provoziert. Manchmal scheint es so, als würde Deutschland alle Aktionen Israels rechtfertigen, solange Israel nicht die Methoden der Nazis anwendet – und natürlich ist Israel sehr weit davon entfernt.
Deutschland glaubt, dies zu tun, um für seine Vergangenheit zu büßen, aber die Wahrheit ist das Gegenteil: Solange Deutschland nicht an der Seite der Unterdrückten und Besetzten steht, verrät es die Lehren der Vergangenheit. Wenn es um Israel geht, das Land seiner direkten Opfer, und die Palästinenser, seine sekundären Opfer, ist dies besonders schwerwiegend.
Deutschland hat in seinem Antrag, ein Freund des Gerichts zu sein, die Behauptung Israels akzeptiert, dass der Internationale Strafgerichtshof (ICC) nicht befugt sei, den Verdacht auf Kriegsverbrechen in den Gebieten (Anm. d. Ü.: Euphemismus der israelischen Nationalisten für die besetzten Gebiete) zu untersuchen. Die Erklärung Deutschlands für seine Position ist besonders seltsam: Deutschland sei ein entschiedener Befürworter der Zwei-Staaten-Lösung, und der ICC sei in dieser Angelegenheit nicht zuständig.
Wir haben im Laufe der Jahre die entschiedene Befürwortung Deutschlands erlebt. Auf ihrem Höhepunkt wurde sie nun zu einem hohlen Lippenbekenntnis. Ein Thema vor dem Gerichtshof sind die Siedlungen: Kein anderer Sachverhalt hat die Möglichkeit einer Zwei-Staaten-Lösung gründlicher zerstört. Jetzt teilt Deutschland Den Haag mit, es solle die Siedlungen in Ruhe lassen. Wer wird die Siedlungen jetzt noch stoppen? Der Jescha-Rat? Die israelische Regierung? Das Weiße Haus? Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, Merkels Partner als Freund des Gerichts?
Eine Frage an Deutschland: Wenn nicht Den Haag, wer sonst sollte untersuchen, was in Gaza zwischen dem Schwarzen Freitag in Rafah und der Ermordung von Demonstranten am Grenzzaun passiert ist? Die israelische Armee? AIPAC? Vielleicht dieser renommierte Experte für Völkerrecht Donald Trump, durch seinen Schwiegersohn, diesen ehrlichen Makler Jared Kushner?
Die ICC-Chefanklägerin Fatou Bensouda brauchte fünf Jahre, um zu dem Schluss zu kommen, dass der Verdacht auf Kriegsverbrechen in Bezug auf die Siedlungen, den Gaza-Krieg 2014 und Proteste am Gaza-Grenzzaun besteht. Ist die Merkel-Regierung der Ansicht, dass dieser Verdacht nicht untersucht werden sollte? Warum nicht? Weil der Verdächtige Israel ist?
Nach dem Bundestagsbeschluss, dass die Boykott-, Desinvestment- und Sanktionsbewegung (BDS) antisemitisch sei, unterstützt man jetzt in Den Haag die israelische Besatzung und wirft damit einen schweren moralischen Schatten auf Deutschland. Deutschlands Verpflichtung ist es, alles für die Sicherheit und das Wohlergehen Israels zu tun. Es sollte auch bei seiner Kritik an Israel vorsichtiger sein als jedes andere Land.
Aber sich an die Spitze derer zu setzen, die die vollständige Immunität Israels unterstützen, ist ein Schritt zu weit, der den Lehren aus dem Holocaust eklatant zuwiderläuft. Immunität für Israel ist weder eine Geste der Freundschaft noch spiegelt sie die Sorge um sein Image wider. Die Gründer des anderen Deutschlands würden sich schämen. Damals in der ersten Hälfte der 70er Jahre hätte sich Bundeskanzler Willy Brandt zu einem solchen Schritt nicht hergegeben. Und sein österreichischer Amtskollege Bruno Kreisky hätte nicht zugelassen, dass sein Land für den Besatzer und gegen das Opfer eintritt.
Am Freitag sagte Deutschland zu Israel: Erweitert die Siedlungen nach Herzenslust, bombardiert Gaza so oft Ihr möchtet, schießt weiterhin ungezügelt mit scharfer Munition auf Demonstranten. Ihr seid immun gegen jede Kritik, gewisslich gegen Strafverfolgung in Den Haag. Den Haag ist für Schwächlinge. Den Haag ist für Jugoslawen und Afrikaner zuständig, aber nicht für Israels Politiker und Offiziere.
Deutschland sagt zu Israel: Ihr seid ein über jeden Verdacht erhabenes Land. So weit hat Schuld die aufgeklärteste Regierungschefin des heutigen Europas geführt. Wenn es um Israel geht, ist Merkel dasselbe wie Trump. Genau gleich.
Übersetzung: Abraham Melzer, Götz Schindler, Rolf Verleger
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Israel verbietet Palästinensern im Westjordanland, landwirtschaftliche Produkte über Jordanien zu exportieren
Zusammenfassung: Verteidigungsminister Naftali Bennett unternahm einen populistischen Schritt, um seine Wahlchancen zu verbessern. Er verbietet, palästinensische Agrarprodukte aus dem Westjordanland über Jordanien zu exportieren. Das ist ein Verstoß gegen das Pariser Protokoll von 1994 über die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Israel und der palästinensischen Behörde. Aber wird dieser Verstoß, der Teile der palästinensischen Wirtschaft lahmlegt, für Israel irgendwelche Konsequenzen von Seiten der internationalen Gemeinschaft haben?
Der israelische Verteidigungsminister Naftali Bennett hat ein Problem. Als rassistischer rechter Politiker hat er häufig den Einsatz von mehr Gewalt gegen die Palästinenser im Gaza-Streifen verlangt und fordert die weitgehende Annexion von Land im Westjordanland. Seit er am 9. November zum Verteidigungsminister ernannt wurde, musste er seine Rhetorik zügeln, um die Kontrolle über die Sicherheitslage nicht zu verlieren. Andererseits findet die nächste Runde der israelischen Wahlen am 2. März statt, und Bennett will das Image des „starken Mannes“ gegen die Palästinenser pflegen.
Seine Lösung bestand darin, eine weitere Zwangsmaßnahme gegen die Palästinenser im besetzten Westjordanland zu verkünden. Ab Samstag, dem 8. Februar, ist es den Palästinensern verboten, landwirtschaftliche Güter nach und durch Jordanien zu exportieren. Das Verbot wurde einen Tag zuvor erklärt, so dass Händler und Bauern keine Zeit hatten, sich darauf vorzubereiten und Verträge zu kündigen. Fast alle Agrarexporte aus dem besetzten Westjordanland (außer den Exporten nach Israel selbst) werden über Jordanien und nicht über Israel abgewickelt, weil die Exporte an den Kontrollposten aufgehalten werden und die israelischen Behörden von den Landwirten Gebühren für die Sicherheitskontrollen kassieren und damit unter dem Deckmantel der Sicherheit vereinbarungswidrig effektiv Zölle erheben.
Foto: Bennett als Verteidigungsminister und Netanjahu. Quelle: Das israelische Regierungsmedienbüro (GPO)
Bennett begründete seine Entscheidung als Gegenmaßnahme zum Beschluss der Palästinensischen Autonomiebehörde, die Einfuhr von Rindern israelischer Bauern zu verbieten. Diese Rechtfertigung zeigt die koloniale Arroganz, von der die israelische Politik geleitet wird: Erstens allein schon, dass diese Frage der Wirtschaftspolitik in die Zuständigkeit des Verteidigungsministeriums fällt: Die Entscheidung von Palästinensern, Viehzucht zu betreiben, ist in den Augen der israelischen Regierung eine „Sicherheitsfrage“, wie das Beispiel von Beit Sahour während der Ersten Intifada zeigt, als achtzehn Kühe zu einer „Bedrohung der Sicherheit Israels“ erklärt wurden (wir empfehlen den Film „18 Kühe zwischen zwei Fronten“ über diese Ereignisse). Zweitens verbietet bereits das israelische Landwirtschaftsministerium den Verkauf vieler palästinensischer Agrarprodukte in Israel, aber Bennetts Entscheidung, den Palästinensern zu verbieten, ihre landwirtschaftlichen Produkte in den Rest der Welt zu exportieren, ist eine gezielte Machtdemonstration mit dem Ziel, der palästinensischen Wirtschaft zu schaden.
Foto: Filmplakat „18 Kühe zwischen zwei Fronten“, 2014. Quelle: Kino Lorber.
Der Gaza-Streifen wird seit 2005 belagert, und seit 2006 sind Exporte aus dem Gaza-Streifen fast vollständig verboten, was zur Zerstörung seiner Wirtschaft, zur Ausbreitung von Armut und Arbeitslosigkeit und zu seiner Verwandlung in eines der am stärksten von Hilfe abhängigen Gebiete der Welt beitrug. Exporte aus dem Westjordanland sind ebenfalls stark eingeschränkt, aber trotzdem stieg der Export von Waren aus dem Westjordanland langsam von 746 Millionen Dollar im Jahr 2011 auf 1,15 Milliarden Dollar im Jahr 2018 – eine wesentliche Lebensader für die palästinensische Wirtschaft, ohne die die Lebensbedingungen im Westjordanland denen im Gazastreifen ähnlich würden. Bereits 2013 hatte die Weltbank festgestellt, dass die Unternehmen im Gazastreifen und Westjordanland unter der israelischen Blockadepolitik leiden, und vor dem ökonomischem Niedergang und langfristigen Schäden in den Besetzten Palästinensischen Gebieten gewarnt.
Grund sind die Beschränkungen, denen die palästinensische Wirtschaft unterliegt. Sie sind nicht neu und verstoßen bereits jetzt faktisch gegen das „Pariser Protokoll„, den wirtschaftlichen Anhang zu den Oslo-Abkommen, der im April 1994 vom palästinensischen Verhandlungsteam und der israelischen Regierung unterzeichnet wurde. In Artikel VIII Abschnitt 11 heißt es:
„Die Palästinenser werden das Recht haben, ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse auf der Grundlage von Ursprungszeugnissen, die von der Palästinensischen Autonomiebehörde ausgestellt werden, ohne Einschränkungen auf externe Märkte zu exportieren“.
Die israelische Regierung entschied nur eine Woche, nachdem der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas damit gedroht hatte, alle Abkommen mit Israel zu kündigen (siehe unser vorheriges BIP-Aktuell), nun auch ganz offiziell, sich nicht an diese Klausel des Pariser Protokolls zu halten).
Die berühmte Orangenmarke „Jaffa“ aus der palästinensischen Stadt Jaffa ist inzwischen vom Staat Israel kolonisiert worden und gehört nun einem Verband israelischer Unternehmen. Dies hinderte die Supermärkte in der ganzen Welt, auch in Deutschland, nicht daran, „Jaffa“-Orangen unter einer gestohlenen Marke zu führen. Es ist daher nicht überraschend, dass die israelische Regierung davon ausgeht, dass es keine Konsequenzen für die Einschränkungen palästinensischer Exporte geben wird.
Foto: Der Film „Jaffa, the Orange Clockwork” von Eyal Sivan erzählt die Geschichte der Jaffa-Marke. Quelle: Momento-Films.com
Verbraucher in Deutschland werden nun feststellen, dass sie keine palästinensischen Oliven, Olivenöl, Seife, Datteln und andere Produkte mehr kaufen können. Die meisten werden wahrscheinlich nicht gegen die Ungerechtigkeit protestieren, die den palästinensischen Bauern widerfährt.
Für Naftali Bennett ist dies nur eine populistische Entscheidung, um bei den bevorstehenden Wahlen mehr Stimmen zu gewinnen, aber sie wird die Existenzgrundlage tausender palästinensischer Familien zerstören. Was können die Palästinenser gegen willkürliche israelische Sanktionen tun? Sie können nichts tun.
Aber die Europäische Union kann eine Menge tun. Sie könnte erklären, dass keine israelischen Agrargüter in der EU verkauft werden dürfen, solange die Beschränkung für die palästinensischen Bauern nicht aufgehoben wird und dass diese Maßnahme der EU aufgehoben wird, sobald Israel seine Maßnahme gegen die palästinensische Wirtschaft beendet. Dieser Schritt würde die israelische Regierung zur Rücknahme ihrer Entscheidung bewegen.
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